Heilpflanzen
Kudzu Wirkung: Heilpflanze mit erstaunlichem Potenzial
Kudzu – eine alte asiatische Heilpflanze, die still und leise im Schatten wächst – mit faszinierenden Wirkungen.
Die faszinierende Heilpflanze Kudzu – Tradition, Forschung und ein poetischer Blick
Kudzu, eine genügsame Schlingpflanze aus Ostasien, hat in den letzten Jahren einen geradezu märchenhaften Ruf erhalten. Sie soll den Durst nach Alkohol mindern, die Leber schützen und sogar beim Abnehmen helfen. Als Botanikpoet mit einer Vorliebe für außergewöhnliche Pflanzen möchte ich diese Legende entwirren, die wissenschaftlichen Fakten beleuchten und dabei die Geschichten und Erfahrungen rund um Kudzu erzählen. Zugleich möchte ich deutlich machen, dass meine Zeilen informieren und inspirieren sollen – sie ersetzen keine ärztliche Beratung.
Eine Pflanze mit Pioniergeist
Kudzu (Pueraria lobata) ist eine Hülsenfrucht und stammt ursprünglich aus China, Japan und Südkorea. Die Wurzeln bilden lange, bis zu 35 kg schwere Knollen, die reich an Stärke sind und in Japan traditionell als Verdickungsmittel und für Nudelteig genutzt werden. Aus diesen Knollen wird auch das „Kudzukohlenhydrat“ hergestellt, ein feines Pulver, das in der asiatischen Küche als Saucenbinder Verwendung findet.
Die Ranken von Kudzu wachsen so schnell, dass die Pflanze in den USA als invasive Art gefürchtet ist. Doch für die Menschen in ihrer Heimat spielt sie eine ganz andere Rolle: Seit Jahrhunderten gilt sie dort als Heilpflanze. In der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM) wird die Wurzel (Ge Gen) als „offizielle Medizin“ bezeichnet und bei Fieber, Durchfall und Entzündungen angewendet. Auch die Blüten und Blätter kommen zum Einsatz, etwa zur Linderung von Erkältungen, Nacken‐ und Augenschmerzen. Schon in der Ming-Dynastie (16. Jahrhundert) wurde Kudzu als Mittel gegen Trunkenheit erwähnt.
Inhaltsstoffe – Das Geheimnis der Isoflavone
Die medizinische Aufmerksamkeit verdankt Kudzu vor allem seinen Isoflavonen. Diese sekundären Pflanzenstoffe, zu denen Daidzein, Puerarin und Daidzin gehören, besitzen eine östrogenähnliche Struktur. Deshalb werden sie auch Phytoöstrogene genannt. Im Vergleich zu anderen Pflanzen ist der Isoflavongehalt der Kudzu-Wurzel extrem hoch; pro Tag können durch Nahrungsergänzungsmittel 500–1 000 mg Isoflavone aufgenommen werden, während die natürliche Ernährung durchschnittlich nur etwa 2 mg liefert. Diese Konzentrationen können Wirkung zeigen – aber auch Risiken bergen.
Puerarin, das Hauptisoflavon der Wurzel, wirkt antioxidativ und entzündungshemmend. In Tierversuchen zeigte es neuroprotektive Effekte, blutdrucksenkende Eigenschaften und einen Einfluss auf den Blutzucker. Daidzin wiederum hemmt das Enzym Aldehyddehydrogenase 2 (ALDH‑2), das in der Leber Acetaldehyd (ein toxisches Zwischenprodukt der Alkoholverdauung) zu Essigsäure abbaut. Diese Hemmung führt dazu, dass sich nach Alkoholkonsum unangenehme Symptome wie Übelkeit und Kopfschmerzen schneller bemerkbar machen – ein möglicher Mechanismus für die diskutierte „Antialkoholwirkung“.

Tradition trifft Forschung: Was sagt die Wissenschaft?
Alkohol und Kudzu – Mythos oder Hilfe?
Eine der bekanntesten Behauptungen über Kudzu lautet, dass die Pflanze das Verlangen nach Alkohol mindere. Historische Texte aus China berichten von einer Nutzung gegen Trunkenheit seit über 1 000 Jahren. Wissenschaftliche Studien dazu sind jedoch rar. Ein vielbeachtetes Experiment aus dem Jahr 2015 testete Kudzu-Extrakt in einem kontrollierten Trinkversuch: 20 Männer erhielten entweder 2 g Kudzu-Extrakt oder ein Placebo vor einem Bierausschank. Die Kudzu-Gruppe reduzierte ihre durchschnittliche Bieranzahl von 3,0 auf 1,9 und öffnete deutlich weniger Flaschen als die Placebo-Gruppe. Die Teilnehmer tranken außerdem langsamer. Das Ergebnis deutet auf eine kurzfristige Reduktion des Alkoholkonsums hin.
Andere kleine Studien bestätigten diese Tendenz, wobei die genauen Extrakte und Dosierungen stark variierten. Gleichzeitig zeigte eine Untersuchung an moderaten Trinkern, dass Kudzu-Extrakt den Schlafrhythmus nicht beeinträchtigt. Die Mechanismen sind unklar; man vermutet eine Hemmung von ALDH‑2 und eine verringerte Dopaminausschüttung im Belohnungszentrum des Gehirns.
Trotz dieser Hinweise bleibt die Datenlage dünn. Die bisherigen Studien umfassen nur wenige Teilnehmer, und nicht alle fanden einen deutlichen Effekt. Eine Untersuchung an Militärveteranen zeigte beispielsweise keine Änderung des Alkoholkonsums bei einer Dosis von 1,2 g Kudzu-Extrakt zweimal täglich. Daher sollte Kudzu nicht als Ersatz für eine anerkannte Alkoholtherapie betrachtet werden. Wer mit Alkoholproblemen kämpft, sollte sich an Fachärzten oder Suchtberatungsstellen wenden.
Kudzu und die Leber – Schutz oder Belastung?
Die Leber ist das Entgiftungsorgan unseres Körpers und wird vor allem durch Alkohol belastet. In einem Tierexperiment erhielten Ratten über acht Wochen eine alkoholfreie Kontrollkost oder eine alkoholhaltige Diät. Ein Teil der alkoholbelasteten Tiere bekam zusätzlich Puerarin (90 oder 180 mg/kg). Bei den unbehandelten Alkohol-Ratten stiegen die Leberenzyme ALT und AST stark an, es bildeten sich Fettleber und Entzündungen. Puerarin hingegen reduzierte die Entzündungsmarker, bewahrte die mikroskopische Struktur der Leber und senkte die Konzentration von Endotoxin im Pfortaderblut. Die Forschenden schlossen daraus, dass Puerarin die „Leber-Darm-Achse“ stabilisiert, indem es die Durchlässigkeit des Darms verringert und so den Zustrom von Giftstoffen dämpft.
Solche Tierdaten sind vielversprechend, doch beim Menschen gibt es bislang keine vergleichbaren Studien. Hinzu kommt: Es sind Einzelfälle von Leberverletzungen durch die Einnahme von Kudzu-haltigen Präparaten beschrieben. Besonders ein Kombinationspräparat aus Kudzu und Mistel verursachte bei einem Mann schwere Leberfunktionsstörungen. Diese Berichte zeigen, wie wichtig ärztliche Überwachung ist, wenn man Heilpflanzen mit potenziell starken Wirkungen einnimmt.
Kudzu und der Darm – antientzündlich, aber Beweise fehlen
In der TCM wird Kudzu bei Durchfallerkrankungen und Verdauungsproblemen eingesetzt. Moderne Forschung liefert erste Hinweise, dass die enthaltenen Isoflavone antiinflammatorisch wirken: In einem Colitis-Mausmodell konnte Puerarin die Verkürzung des Dickdarms rückgängig machen und die Entzündung verringern. In weiteren Experimenten an 5‑Fu‑induzierten Mukositis-Mausmodellen wurde festgestellt, dass Puerarin oxidative Stressreaktionen dämpft und die Darmschleimhaut schützt. Auch in Virusinfektionen bei Schweinen verbesserte der Wirkstoff antioxidative Enzyme im Darm.
Diese Studien liefern interessante mechanistische Erkenntnisse, sind jedoch ausschließlich an Tieren oder Zellkulturen durchgeführt worden. Es gibt keine hochwertigen klinischen Daten, die eine Förderung der Darmgesundheit beim Menschen belegen. Zudem können hohe Isoflavonmengen Wechselwirkungen mit Medikamenten wie Antidiabetika oder Methotrexat hervorrufen. Wer Verdauungsbeschwerden hat, sollte daher nicht auf eigene Faust zu Kudzu greifen, sondern medizinische Hilfe suchen.
Kudzu und das Körpergewicht – Traum vom Schlankmacher?
Viele Nahrungsergänzungsmittel werben damit, dass Kudzu beim Abnehmen helfen könne. Die wissenschaftliche Grundlage dafür ist jedoch schwach. Eine 2022 veröffentlichte Studie untersuchte die Wirkung von Puerarin bei Mäusen mit Hochfett-Diät. Obwohl Puerarin die Fettpolster, das Leberfett und die Blutfettwerte verbesserte, veränderte sich das Körpergewicht nicht signifikant. Der Wirkstoff reduzierte Entzündungsprozesse im Fettgewebe und verringerte die Population proinflammatorischer Makrophagen.
Andere experimentelle Arbeiten an diabetischen Tiermodellen zeigen eine Verbesserung des Glukose‐ und Fettstoffwechsels unter Puerarin. Diese Effekte lassen sich jedoch nicht ohne Weiteres auf den Menschen übertragen. Nach derzeitigem Stand gibt es keine klinische Studie, die eine Gewichtsabnahme durch Kudzu belegt. Eine ausgewogene Ernährung und Bewegung bleiben die bewährten Grundlagen einer gesunden Gewichtsregulation.
Andere Anwendungen – Wechseljahre, Herz und Nerven
Aufgrund ihres phytoöstrogenen Profils wird Kudzu manchmal bei Wechseljahresbeschwerden empfohlen. Einige kleine Studien deuten darauf hin, dass es Hitzewallungen und Schlafstörungen lindern könnte. Eine systematische Übersichtsarbeit kommt jedoch zu dem Schluss, dass die Evidenz inconclusive ist. In der Kardiologie wird Puerarin in China als Injektion zur Behandlung von Angina pectoris eingesetzt; Studien mit vielen Teilnehmer:innen liegen jedoch überwiegend im asiatischen Raum vor und sind methodisch heterogen. Auch neuroprotektive Effekte werden in Tiermodellen diskutiert, etwa bei Alzheimer und Depressionen.

Risiken und Nebenwirkungen – „rein pflanzlich“ heißt nicht harmlos
Die Verbraucherzentralen und das Bundesinstitut für Risikobewertung warnen vor einer unkritischen Einnahme von Kudzu-Präparaten. Da Nahrungsergänzungsmittel bis zu 500 bis 1 000 mg Isoflavone pro Tag liefern können, wird eine 100–500-fach erhöhte Aufnahme dieser hormonähnlichen Stoffe erreicht. Das kann zu Wechselwirkungen mit Medikamenten führen oder hormonabhängige Tumoren beeinflussen. Personen mit Brust‑, Gebärmutter‑ oder Eierstockkrebs sollten Kudzu ohne ärztliche Rücksprache nicht einnehmen.
Zu den bekannten möglichen Interaktionen zählen:
Tamoxifen: Puerarin kann die Wirkung dieses Brustkrebs-Medikaments abschwächen.
Methotrexat: In Tierversuchen wurde das Medikament langsamer abgebaut, wenn es zusammen mit Kudzu verabreicht wurde.
Antidiabetika: Isoflavone können den Blutzucker zusätzlich senken und so Unterzuckerungen verstärken.
Außerdem warnen die Verbraucherzentralen davor, die Herstellerdosierungen zu überschreiten. Schwangere, Stillende und Kinder sollten Kudzu nicht einnehmen. Auf dem Markt kursieren viele unzureichend kontrollierte Produkte. 2020 wurden mehrere Kudzu-Erzeugnisse wegen Belastungen mit polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffen (PAK) über das europäische Schnellwarnsystem RASFF gemeldet.
Persönlicher Ausklang

Als ich zum ersten Mal von Kudzu hörte, faszinierte mich die Vorstellung, dass eine wild wuchernde Pflanzegleichzeitig Nahrung, Heilmittel und Forscherinteresse vereint. Während ich die wissenschaftlichen Publikationen durchstöberte, trat mir stets der Duft der Legende entgegen: In alten Dörfern, so heißt es, seien die Lianen zu Heiltränken verarbeitet worden, um Menschen vor der „Drachenhitze“ des Alkohols zu schützen. Vielleicht steckt in dieser Tradition ein Körnchen Wahrheit; die modernen Studien lassen zumindest Effekte erahnen. Doch die wissenschaftliche Realität ist komplexer und oft unspektakulärer als populäre Erzählungen.
Kudzu mag ein Schatz aus dem Pflanzenreich sein, doch Heilpflanzen sind keine Wunderpflanzen. Ihre Anwendung erfordert Wissen, maßvolle Dosierung und eine kritische Betrachtung der eigenen Gesundheit. Vertraue nicht blind jedem Werbeversprechen, sondern informiere dich aus seriösen Quellen. Suche bei gesundheitlichen Beschwerden immer ärztlichen Rat, vor allem wenn du Medikamente nimmst oder chronisch erkrankt bist. Nur so lässt sich die Kraft der Natur verantwortungsvoll nutzen.
FAQs
Die häufig gestellten Fragen rund um das Thema:
Kudzu Wirkung: Heilpflanze mit erstaunlichem Potenzial
Quellenangabe
Verbraucherzentrale. Kudzu – die asiatische Hülsenfrucht. [Stand: 05.02.2025]. Wichtiges Hintergrundwissen zu den Knollen, Isoflavongehalten und rechtlichen Hinweisen verbraucherzentrale.de.
Memorial Sloan Kettering Cancer Center. Kudzu. Klinische Zusammenfassung mit Angaben zu potenziellen Wirkungen, Risiken und Wechselwirkungen mskcc.org.
Verbraucherzentrale / BfR. Hinweise zu Isoflavon-Dosierungen, Nebenwirkungen und gesetzlicher Einordnung verbraucherzentrale.de.
Penetar DM et al. A single dose of kudzu extract reduces alcohol consumption in a binge drinking paradigm.Ergebnis: Signifikante Reduktion der Bieranzahl bei Probanden pmc.ncbi.nlm.nih.gov.
Bracken BK et al. Kudzu root extract does not perturb the sleep/wake cycle of moderate drinkers. Zeigt, dass Kudzu den Schlaf nicht beeinträchtigt pmc.ncbi.nlm.nih.gov.
Peng JH et al. Puerarin ameliorates experimental alcoholic liver injury by inhibition of endotoxin gut leakage.Tierstudie, die Leber- und Darmschutz durch Puerarin beschreibt pubmed.ncbi.nlm.nih.gov.
Wang D et al. Pharmacological activity, pharmacokinetics, and clinical research progress of puerarin.Umfassender Überblick über antioxidative und entzündungshemmende Wirkungen sowie traditionelle Anwendungen pmc.ncbi.nlm.nih.gov.
Noh JW et al. Puerarin attenuates obesity-induced inflammation and dyslipidemia in obese mice. Zeigt metabolische Verbesserungen ohne signifikante Gewichtsreduktion pmc.ncbi.nlm.nih.gov.
Spektrum der Wissenschaft. Japanische Heilpflanze hilft Alkoholikern. Bericht über synthetisches Daidzin (CVT-10216) und Hemmung von ALDH‑2 spektrum.de.
Drugs.com. Kudzu – Uses, Benefits & Dosage. Zusammenfassung der wissenschaftlichen Literatur mit Angaben zu Alkoholentzug, entzündungshemmenden Effekten und klinischen Daten drugs.com.




